Pharmabranche braucht noch mehr Innovationen
Seit dem Jahr 2012 haben sich die Börsenbewertungen für den Pharmabereich mehr als verdoppelt und im Biotechsegment sogar mehr als verdreifacht. Grund dafür sind vielversprechende Produktentwicklungen. Vor allem die neuen Wirkstoffe im Kampf gegen Hepatitis-C und Krebserkrankungen wurden als Therapiedurchbruch bewertet. Rund vier Dutzend neuer Substanzen wurden im Vorjahr zugelassen. Das ist der höchste Wert seit Mitte der 90er-Jahre. Nach einer langen Flaute findet die Branche wohl endlich wieder zu mehr Forschungsproduktivität, was Investoren auf beschleunigtes Wachstum und steigende Gewinne wetten lässt.
Der Erfolg der Neuentwicklungen in der Pharmabranche wird jedoch durch den Preisdruck in vielen anderen Teilsegmenten relativiert. Ohne Berücksichtigung des Akquisitionseffekts steigerten sich die Umsätze der 30 größten Pharmahersteller nach mehrjähriger Stagnation nur um circa drei Prozent in 2014. Der US-Biotechkonzern Gilad trug jedoch durch sein gewaltiges Umsatzwachstum mit neuen Hepatitismitteln erheblich zu diesen drei Prozent bei. Das erklärt, warum hingegen bei jedem zweiten Großkonzern die Erlöse weiter zurückgegangen sind. Hinzu kommt, dass einige Arzneien, zahlreiche Biotechprodukte miteingeschlossen, ihren Patentschutz verlieren. Schätzungen belaufen sich auf bis zu 22 Milliarden US-Dollar bzw. vier Prozent des Umsatzes, den die Branche deswegen einbüßt. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass die (meist sehr teuren) Neuentwicklungen häufig einen Verdrängungswettbewerb nach sich ziehen und noch junge Therapiemöglichkeiten ersetzen, die ebenso aufwendig vermarktet werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der von amerikanischen Versicherern angetriebene Rabattwettbewerb zwischen Herstellern, die patentgeschützte Arzneien innehalten mit vergleichbaren Medikamenten. Für die Produzenten von Asthmamitteln hatte dies zuletzt erhebliche Auswirkungen. Es stellt sich nämlich die Frage, wer eigentlich die immensen Summen von beispielsweise 150.000 US-Dollar für eine Jahrestherapie bezahlen soll, die eine eine neuartige Stimulation der Immunabwehr gegen Haut- und Lungenkrebs des US-Konzerns Bristol Myers Squibb verlangt. Auch hierzulande wird deshalb eine Diskussion um die Pharmapreise entfacht. Seit vier Jahren müssen sich Pharmafirmen aufgrund des Amnog-Gesetzes mit ihren Neuentwicklungen im ersten Jahr nach der Zulassung einer Nutzerbewertung stellen, auf deren Basis anschließend die Erstattungspreise mit den Krankenkassen verhandelt werden. Daneben wurde ein Zwangsrabatt eingeführt, der die Umsätze zusätzlich einschränkt. Damit die Kosten dennoch nicht weiter in die Höhe schießen, wird vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen nun gefordert, rückwirkend nach Amnog die vereinbarten Preise geltend zu machen, da ansonsten die Beitragszahler ein Jahr lang die Preise finanzieren müssen, die von den Pharmaunternehmen vorgegeben werden.
Es scheint also, dass man den Gerüchten um immense Kostenprobleme oder einen möglichen Riesen-Aufschwung wenig Glauben schenken muss, weil zum einen Analysten ein Wachstum von fünf bis sieben Prozent vorhersagen und die Forschung erst noch wesentlich mehr liefern muss.